Die Geschichte der Härri-Familien ist eng mit ihren Heimatorten Birrwil und Othmarsingen und den regionalen, nationalen und weltpolitischen Ereignissen verknüpft. Dieser geschichtliche Überblick ab 1500 veranschaulicht, in welchem Umfeld die Familien lebten.
Epochen:
- Teil 1: Alte Eidgenossenschaft (bis 1528)
- Teil 2: Reformation und Gegenreformation (1528 – 1689)
- Teil 3: Aufklärung (1700 – 1791)
- Teil 4: Französische Revolution und Helvetik (1797 – 1803)
- Teil 5: Restauration und Industrialisierung (1803 – 1852)
- Teil 6: Kulturkampf und Ausbau der Demokratie (1850 – 1912)
- Teil 7: Erster und Zweiter Weltkrieg (1914 – 1945)
- Teil 8: Wohlstandsgesellschaft und Globalisierung (1950 – heute)
1528
Reformation im Berner Aargau
Nach der grossen [wiki title=»Berner Disputation»]Disputation in Bern von 1528[/wiki], an der auch der Reformator [wiki title=»Huldych Zwingli»]Ulrich Zwingli[/wiki] teilnahm – aus Birrwil war der Kirchherr Theobald Molitor (= Müller) dabei -, führen die Berner in ihrem Untertanengebiet die [wiki title=»Reformation_und_Gegenreformation_in_der_Schweiz»]Reformation[/wiki] ein, zuerst im Unteraargau. An einigen Orten führt dies zu Aufständen und zu Verfolgungen, vor allem auch von [wiki title=»Täufer»]Täufern[/wiki].
Die Birrwiler treten zum reformierten Glauben über, die Gemeinde wird von der luzernischen (katholischen) Grosspfarrei [wiki]Pfeffikon[/wiki] losgelöst.
Bern übernimmt die ehemalige bischöfliche Gewalt über Kirche, Sittenzucht, Schule und Armenwesen. Die katholisch verbliebenen Orte rechts der Aare gehören zu Konstanz, die links der Aare zu Basel.
Ab der amtlichen «Ordnung von 1528» sind Taufregister, die kirchenhistorisch ältesten Verzeichnisse im Kanton Aargau, überliefert. Die Liste der Verstorbenen ist noch Sache des Totengräbers.
1530
Waldrodungen in Birrwil
Zwischen 1530 und 1564 wächst die Bevölkerung im Kanton Bern aufgrund des günstigen Klimas kräftig an. Dies erfordert mehr Land. Die Birrwiler Bauern roden auf dem Berg und im Homberg-Wald, um ihre Ackerflächen zu erweitern.
1539
Bern erobert die Waadt
1539 wird Bern durch die Eroberung der Waadt (1539) zum grössten Gebiet der Eidgenossenschaft.
Birrwil und der Wylhof werden zur eigenen Gemeinde mit eigenem Gericht. Das Dorf ist im Besitz der [wiki title=»Luternau (Adelsgeschlecht)»]Herren von Luternau[/wiki] vom [wiki]Schloss Liebegg[/wiki]. Die Luternauer regieren während mehr als 150 Jahren auf der Liebegg und zählen zu den [wiki title=»Patrizier (Bern)»]Patriziern[/wiki], den einflussreichsten Familien der Stadt Bern.
1540
Das Sonnenjahr 1540 – Klimakatastrophe in Mitteleuropa
1540 war in Mitteleuropa das weitaus [wiki title=»Dürre in Mitteleuropa 1540″]trockenste Jahr des ganzen Jahrtausends[/wiki]. Über Monate hinweg fiel praktisch kein Regen – im Schweizer Mittelland regnete es zwischen März und September nur an sechs Halbtagen. Flüsse trockneten aus. Die Dürre führte zu massiven Ernteausfällen, Krankheit und europaweit dem Tod von hundertausenden Menschen.
1555
Bläsy Härer – erster sicher nachweisbarer Härri in Birrwil
In Birrwil gibt es vier Grossbauern, einer davon ist Uoli Stadler.
Im ersten Birrwiler Kirchenrödel (Personenverzeichnis) erscheint →Bläsy Härer, später auch Herrer, Herin und Herry geschrieben. Er ist der erste sicher nachweisbare Härri und wohnt an der Strasse zwischen Birrwil und dem Wilhof, der heutigen Untere Wannestrasse.
Sein Sohn ist 1573 als →Heinrich (‹Heini›) Härer erwähnt. 1581 wird er Heini Härri geschrieben und 1644 Hans Härinen. Später ist dieser auch im Liebegger Urbar von 1581 erwäht, dem Besitzrechtsverzeichnis der [wiki title=»Luternau (Adelsgeschlecht)»]Herren von Luternau[/wiki].
1556
Härri in Basel
In der seit der Reformation protestantischen [wiki title=»Leonhardskirche (Basel)»]St. Leonhardskirche[/wiki] in Basel wird →Nicolaus Härri getauft. Sein Vater hiess →Jacob Härri. In den folgenden 15 Jahren werden am selben Ort noch weitere Härri getauft.
1558
Birrwil zählt etwa 60 Personen
Nach der Feuerstättenzählung von 1558, einer militärischen Erhebung der Berner, zählt Birrwil ohne den Wilhof 11 Feuerstellen/Herde (Haushalte), also etwa 60 Personen.
1560 – 1579
Bevölkerung im Berner Aargau nimmt zu
Im Zuge steigender Bevölkerungszahlen wuchs neben dem ländlichen Bauern- und dem städtischen Handwerkerstand vor allem die Schicht von landarmen und landlosen Kleinhandwerkern, [wiki title=»Tauner»]Taunern[/wiki] (= Kleinbauern) und Armengenössigen (= Unterstützungsbedürftige). Um der Not dieses ländlichen Proletariats zu steuern, bewilligte die bernische Obrigkeit in den 1560er und 70er Jahren Ausbausiedlungen in Allmend- und Waldgebieten.
1563 – 1564
Geldentwertung und Hungersnöte
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde die wirtschaftliche Kraft der Eidgenossen durch eine grosse Geldentwertung infolge des Silberzuflusses aus Amerika untergraben. Die Teuerung führte in den Jahren 1563 bis 1564, 1571 bis 1573 und 1586 bis 1587 zu fürchterlichen Hungersnöten und vielen Hungerstoten.
1563
Konzil von Trient
Für die katholischen Gebiete setzt Rom im [wiki]Konzil von Trient[/wiki] die Matrikelführung verbindlich fest, zunächst für die Taufen und Ehen, dann im [wiki]Rituale Romanum[/wiki] von 1614 für die Firmlinge und Verstorbenen. Das älteste katholische Kirchenbuch im Staatsarchiv des Kantons Aargau stammt aus Baden 1573.
1564
Pestjahre
Pestjahre in der Schweiz: 1564, 1577, 1588, 1590-1597.
Während der Pest der Jahre 1564-65 sterben alleine im Kanton Bern fast 38’000 Personen.
1564 – 1568
Kaspar Linder ist Pfarrer in Birrwil
Kaspar Linder (auch ‹von Lindten› genannt) ist Pfarrer in Birrwil. Auf dem Schloss Lenzburg wird er wegen Trunkenheit sechs Tage und sechs Nächte in Gefangenschaft gesetzt.
1568 bis 1574 ist er Pfarrer in Wynigen (BE), 1575-1577 in Wynau (BE) und 1581 Provisor in Thun.
1583 wurde er abgesetzt, weil er Droh- und Trotzworte gegen die Regierung richtete und die Religion verspottete. Er ging nach Luzern, wurde katholisch und zog später nach Italien, wo er elend umkam.
1566
Leutwil wechselt die Pfarrei
Seit der Reformation gehörte der kleinere Teil Zetzwils zur Pfarrei Birrwil, der kleinere zur Pfarrei Gontenschwil. Bern kommt dem Wunsch der Leutwiler nach, den grösseren Teil ebenfalls der Pfarrei Gontenschwil zuzuteilen.
ca. 1580
Ca. 1580: Jakob Fischer ist Pfarrer in Birrwil
Jakob Fischer ist Pfarrer von Birrwil. Er heiratete die 16jährige Sarah Schürer, die später als Wittwe zu einer Lehrgotte wurde.
1581
Liebegger Urbar von 1581
1581 liessen die Besitzer der Liebegger Herrschaft das «Liebegger Urbar» niederschreiben, ein Verzeichnis ihrer Rechte und Einkünfte. Verfasst wird es in schöner gotischer Schrift auf etwas mehr als 120 Pergamentblättern.
1582
Gregorianischer Kalender
[wiki title=»Gregor XIII.»]Papst Gregor XIII.[/wiki] führt den [wiki title=»Gregorianischer Kalender»]gregorianischen Kalender[/wiki] ein, der den [wiki title=»Julianischer Kalender»]julianischen[/wiki] und andere Kalender ablöst. Die Tage vom 5. bis zum 14. Oktober entfallen, die Jahre 1700, 1800 und 1900 sind keine Schaltjahre mehr.
Während die meisten katholischen Orte sich nach dem neuen Kalender richten, wehren sich die Reformierten lange Zeit gegen das päpstliche Dekret. In der Folge bestehen während Jahrzehnten und Jahrhunderten zwei unterschiedliche Kalender, je nach Kanton und Gemeinde. In der Schweiz stellen erst 1812 die letzten Gemeinden in Graubünden auf den gregorianischen Kalender um.
1587
Bern schreibt separate Tauf- und Eheregister vor
Bern erlässt in der «Prädikantenordnung» (Verordnung für Prediger) vom 5. Januar 1587 die Vorschrift, dass für Taufen und Ehen gesonderte Register anzulegen seien.
1590 – 1600
Höhepunkt des Hexenwahns
Der mittelalterliche Hexenwahn (Justizmorde) erreicht seinen Höhepunkt. Zwischen 1571 und 1685 wurden im Berner Aagrau 40 Frauen und fünf Männer wegen Hexerei zum Feuertod verurteilt. Hexerei und Sodomie galten damals als die beiden schlimmsten Sünden.
1598
Die Taufzeugen Hans Härer und Adelheit Härer
Älteste noch vorhandene Birrwiler Tauf- und Eherodel.
Im ältesten Pfarrbuch der Kirchgemeinde Birrwil, einem Taufrodel, erscheint ein →Hans Härer als Taufzeuge und später eine →Adelheit Härer als Taufzeugin.
Frauen schmücken ihren Namen – wie es damals schon üblich war – mit der Endsilbe «in», also zum Beispiel Leutwilerin.
1600
Birrwil: Heinrich Härer heiratet Barbli Bärtschi
→Heinrich Härer heiratet Barbli Bärtschi. Dies ist die erste Ehe des Härri-Geschlechts, welche in den überlieferten Birrwiler Pfarrbüchern erwähnt ist.
1601
Erdbeben in der Schweiz
Ein Erdbeben am 18. September 1601 mit dem Epizentrum in den Alpen forderte in der Schweiz Tote, verursacht Gebäudeschäden und änderte vorübergehend den Lauf der Reuss bei Luzern. Erschütterungen sind in der ganzen Schweiz und darüber hinaus zu spüren.
1602
Familie Escher erwirbt die Herrschaft Liebegg
Marx Escher aus Zürich erwirbt die Herrschaft Liebegg für 24’000 Gulden und verkauft sie 1615 weiter.
1604
Birrwil: Mütter werden in den Taufregistern erwähnt
Ab 1604 werden in den Birrwiler Taufrödeln auch die Mütter namentlich erwähnt. Zuvor wurden nur der Vater und die Taufzeugen aufgeführt.
1608
Die Brautfahrt vom Hallwilersee (Volkssage).
Die Brautfahrt vom Hallwilersee (Volkssage) wird veröffentlicht.
1609 – 1611
Pestjahre, das grosse Totenjahr
1611 geht als das grosse Totenjahr in die Geschichte ein.
1615
Familie Graviset erwirbt die Herrschaft Liebegg
Marx Escher verkauft seine Herrschaft Liebegg für 30’000 Gulden an Rennert (Reinhart) Graviseth, Juweiler, Finanzmann, heidelbergischer, kurfürstlicher, pfalzgräflicher Kammerrat und Bürger zu Basel.
1618 – 1648
Dreissigjähriger Krieg und Neutralität der Schweiz
Der [wiki title=»Dreissigjähriger Krieg»]Dreissigjährige Krieg[/wiki] führt von 1618 bis 1648 in Teilen Europas zu einer Hungersnot. Die Eidgenossenschaft erklärt sich als neutral und wird deshalb verschont. Der Anstieg der Lebensmittelpreise verhilft den eidgenössischen Bauern zu ungeahntem Wohlstand.
1628 – 1639
Pestjahre: 1628 – 1630, 1635, 1639
In der Schweiz fordert in den Jahren 1628 bis 1630, 1635 und 1639 die Pest ihre Opfer.
1644
Liebegger Urbar von 1644
Jakob Graviseth lässt 1644 ein Liebegger Urbar aufnehmen, ein Verzeichnis seiner Rechte und Einkünfte. Gemäss diesem ist der ehemalige Grossgrundbesitz in Birrwil verschwunden, meistens infolge Erbteilung.
1648
Birrwil: Jakob Härer wird wegen Birnenstehlen verurteilt
Am 20. August 1648 verurteilt das Birrwiler Chorgericht →Jakob Härer zu 10 Stund Gefangenschaft, da er der Schulmeisterin die Birnen gestohlen habe und ihr gesagt habe, sie „syge gewyss ein hexen“.
Westfälischer Friede: Schweiz wird als neutraler Staat anerkannt

Bern als Teil der Eidgenossenschaft erhält im [wiki title=»Westfälischer Friede»]Westfälischen Frieden[/wiki] vom 24. Oktober 1648 die volle staatliche Souveränität und löst sich vom Deutschen Reich. Die Schweiz wird nun als neutraler Staat anerkannt.
Der Preissturz und die darauffolgende Schuldeneintreibung der herrschenden Städte führt zu grossen sozialen Differenzen.
1653
Schweizer Bauernkrieg
Birrwil zählt 1653 einschliesslich des Wilhofs 39 Feuerstellen/Herde (Haushalte), also rund 250 Personen, ohne dem Wilhof 195.
Das im 16. Jahrhundert erst schwach besiedelte Seeland erlebt nach 1653 einen überdurchschnittlichen Zuwachs an Feuerstätten und Einwohnern im Sinne eines Nachholeffekts.
Der Unmut der Bauern gegenüber der Aristokratie führt zum [wiki]Schweizer Bauernkrieg[/wiki]. Die Bauern des Seetals beteiligen sich lebhaft daran. Der Aufstand wird blutig niedergeschlagen und die Hauptlast wird den Bauern der Vogtei Lenzburg (mit Birrwil) aufgehalst. Othmarsingen wird von durchziehenden Truppen verwüstet. Es folgen wirtschaftliche Reformen zugunsten der Bauern.
1659 und 1675
Bern verfügt Tabakverbot
Die Berner Ratsversammlung beschliesst 1659 ein Tabakverbot und doppelte 1675 mit einem schärferen Gesetz nach. Das Tabakrauchen sei unnötig, kostspielig und der Gesundheit abträglich und nähme bei Alt und Jung, Mann und Frau überhand. Zudem schade der Tabakimport der inländischen Wirtschaft.
1665
Erster Villmerger Krieg
Die zwischen den katholischen und den reformierten Kantonen aufgebauten Spannungen entladen sich vom 6. Januar bis 7. März 1656 im [wiki title=»Erste Schlacht von Villmergen»]Ersten Villmerger Krieg[/wiki]. Rund 800 Menschen sterben, die katholischen Orte siegen.
1665 – 1669
Letzte Pestjahre in der Schweiz
In den Jahren 1665 und 1667 bis 1669 wütet in der Schweiz noch einmal die Pest. 1669 gilt als das letzte Pestjahr der Schweiz.
1667 – 1677
Bevölkerungszunahme und Bodenzinsrenovation
Die Vermehrung der Bevölkerung hatte eine weitere Zerspillterung der Güter zur Folge, wodurch der Einzug des Bodenzinses immer komplizierter wurde. Bern befiehlt deshalb in der Grafschaft Lenzburg eine grosse Bodenzinsrenovation, die vom Landvogt Johann Georg Imhof eingeleitet wird.
1668
Herren von Landenberg erwerben die Herrschaft Liebegg
Die Brüder Ludwig und Johann Friedrich Graviseth verkaufen am 1. September 1668 die Herrschaft Liebegg für 30’500 Gulden und 100 Dukaten an ihren Verwandten Johann Friedrich von Breitenlandenberg.
1676
Bern führt die Ortsbürgerschaft ein
Bern erlässt ein Mandat über das Armen- und Unterstützungswesen, welches die Gemeinden verpflichtet, alle in diesem Jahr Ansässigen und ihre Nachkommen in der Not zu unterstützen und ihnen beim Wegzug einen Heimatschein auszuhändigen. Damit wird die [wiki title=»Bürgerort»]Ortsbürgerschaft[/wiki] eingeführt. Zuvor hatte das Ortsbürgerrecht auf dem Besitz eines Hauses im Dorf beruht und wer wegzog und sich anderswo niederliess, war am alten Ort zum vorherein nicht mehr Bürger.
Mit der neuen Bettelordnung wird den Gemeinden das Armenwesen übertragen. Fremde Landstreicher werden daher von der Gemeinde ausgewiesen. Später in die Gemeinde Zugezogene hatten keinen Anteil an der Allmend (= gemeinsam nutzbares Land) und mussten eine jährliche Gebühr – das Hintersässengeld – bezahlen oder sich einkaufen.
Birrwil: Hartmann Härri wird wegen Pfeifenrauchens angezeigt
Aufgrund des 1659 und 1675 erlassenen Tabakverbotes (siehe dort) und verbotenen Pfeifenrauchens im Wirtshaus wird →Hartmann Härri 1676 vom Chorgericht dem Junker gemeldet.
ab 1685
Hugenotten wandern in die Schweiz ein
Im [wiki]Edikt von Fontainebleau[/wiki] widerruft König Ludwig XIV das Edikt von Nantes von 1598, in dem Heinrich IV den Protestantismus in Frankreich damals anerkannt hatte. In den folgenden Jahren verlassen Hunderttausende [wiki]Hugenotten[/wiki] (= Protestanten) das Land, viele werden in der Schweiz aufgenommen.
1689
Birrwil: Neubau der Kirche
In Birrwil wird 1689 das Kirchenschiff mit Ausnahme der nördlichen Längsmauer abgebrochen. Ein paar Meter weiter nördlich wird unter Johann Friedrich Breitlandenberg, dem Herren zu Liebegg und Birrwil, ein Neubau errichtet.