Die Geschichte der Härri-Familien ist eng mit ihren Heimatorten Birrwil und Othmarsingen und den regionalen, nationalen und weltpolitischen Ereignissen verknüpft. Dieser geschichtliche Überblick ab 1500 veranschaulicht, in welchem Umfeld die Familien lebten.
Epochen:
- Teil 1: Alte Eidgenossenschaft (bis 1528)
- Teil 2: Reformation und Gegenreformation (1528 – 1689)
- Teil 3: Aufklärung (1700 – 1791)
- Teil 4: Französische Revolution und Helvetik (1797 – 1803)
- Teil 5: Restauration und Industrialisierung (1803 – 1852)
- Teil 6: Kulturkampf und Ausbau der Demokratie (1850 – 1912)
- Teil 7: Erster und Zweiter Weltkrieg (1914 – 1945)
- Teil 8: Wohlstandsgesellschaft und Globalisierung (1950 – heute)
1850 – 1900
Armut, Auswanderung, Milchwirtschaft und Ausbau der Volksrechte
Der Getreideanbau weicht mehr und mehr der Milchwirtschaft und dem Futtermittelanbau – auch aufgrund der billigen Importe per Eisenbahn.
1850
Der Franken wird zur Schweizer Währung

Quelle: Urs Altermatt (Hg.): Die Schweizer Bundesräte. Ein Biographisches Lexikon. Zürich 1991. Gemeinfrei.
Seitdem 1848 die Schweiz als Bundesstaat geschaffen worden war, ist wieder der Bund für die Währung zuständig. Mit dem Bundesgesetz über das eidgenössische Münzwesen vom 7. Mai 1850 wird der Franken, der sich nun am französischen (Silber-)Franc orientiert, als Währung der Schweiz eingeführt.
Zuvor gab es – abgesehen von der kurzen Zeit der Helvetik – eine Vielzahl an Münzen und Währungen in- und ausländischer Herkunft, wie zum Beispiel Dublonen, Dukaten, Franken, Gulden, Pfund, Schilling, Pfennig, Batzen, Kronen, Taler, Neutaler, Sonnentaler, Adlertaler und Bluzger. Noch Anfang des 19. Jahrhunderts waren 860 unterschiedliche Münzsorten in Umlauf, die von fast achtzig verschiedenen Behörden ausgegeben wurden. Ab 1850 wurden neue Münzen geprägt und im Folgejahr herausgegeben.
- Bundesgesetz über das eidgenössische Münzwesen» vom 7. Mai 1850 (Schweiz. Bundesblatt)
- Der Wert des Schweizer Frankens (Schweizerisches Bundesarchiv)
- Münzen (Historisches Lexikon der Schweiz)
Birrwil und Othmarsingen: Einwohnerzahlen
Birrwil zählt 972 Einwohner, Othmarsingen 1134 Einwohner.
Birrwil: Bau der Färberei
1850 wird an der Oberen Wannestrasse 37 in Birrwil mit dem Bau der Färberei-Fabrik – im Volksmund Färbi genannt – für die Weberei J. Nussbaum begonnen. Das Unternehmen und die Fabrik werden 1916 von der Fehlmann Söhne AG aus Schöftland übernommen. Die Fabrik wird bis 1992 in Betrieb sein und im 21. Jahrhundert zu Wohnungen und Lofts umgebaut werden.
- Weberei Jakob Nussbaum (Verband Aargauer Museen und Sammlungen)
- Färberei Birrwil
1851
Birrwil erhält eine Postablagestelle
Seit dem 1. Juli 1851 gibt es in Birrwil – damals noch Birrwyl geschrieben – eine Postablagestelle.
1853
Birrwil: Samuel Härri wird Gemeindeammann
→Samuel Härri wird Gemeindeammann von Birrwil und bleibt bis 1883 im Amt.
1855
New York: Castle Garden eröffnet als Immigrationsstelle
1855 eröffnet Castle Garden als zentrale Immigrationsstelle für Einwanderer in New York. Zuvor fand die Einreise am Landungssteg des jeweiligen Schiffes statt und war eher chaotisch. Castle Garden wird 1890 vom nahe gelegenen Barge Office abgelöst und dieses 1892 von Ellis Islands.
- «Castle Garden, New York’s first immigrant processing center» (PDF, Englisch) (Webseite von Wolf Seelentag)
Brandstiftung in Birrwil
In Birrwil brennt ein Haus ab: Das Obergericht Aargau verurteilt den 24jährigen Jakob Stadler wegen Brandstiftung am Haus seines Vaters in Birrwil.
1857
Birrwil: Textil- und Zigarrenfabriken
Die Textilindustrie löst die Heimweberei ab, wo Wasserkraft verfügbar war (Weiher).
Im Birrwiler Ortsteil In der Ländern gründen Samuel und Gottlieb Stadler die erste Tabak- und Zigarrenfabrik, die einzige grössere in der Region. Sie heisst später Tabak- und Cigarrenfabrication S&R. Haerry-Stadler.
1858
Birrwil: Johann Härri wird Gemeindeschreiber
→Johann Härri wird Gemeindeschreiber von Birrwil und bleibt bis 1905 im Amt.
Birrwil wird zu Birrweil
Birrwil wird zu Birrweil.
Meteor über der Schweiz
Am 27. Januar 1858 um 15 Uhr wird im Aargau, in Luzern und vom Rigi aus eine meteorartige Erscheinung bemerkt. Auch in Birrwil hört man einen Knall und gleich darauf einen stärkeren, dem ein starkes, mehrere Sekunden anhaltendes Getöse, ähnlich dem Rollen des Donners, folgt.
1859
Aargau kauft den Hallwilersee
Der Aargau kauft den Hallwilersee für 30’000 Franken.
Das Carrington-Ereignis
Vom 28. August bis 4. September 1859 ereignen sich starke Sonneneruptionen. In der Nacht vom 1. auf den 2. September 1859 wird der bisher stärkste geomagnetische Sturm auf der Sonne registriert. Stürme dieser Stärke finden im Schnitt nur alle 500 Jahre statt. In der Schweiz sind in der folgenden Nacht Polarlichter zu sehen. Der magnetische Sturm beschädigt den höheren Breiten Nordeuropas und Nordamerikas das neue Telegraphennetz.
1858
Birrwil: Johann Härri wird Gemeindeschreiber
→Johann Härri wird Gemeindeschreiber von Birrwil und bleibt bis 1905 im Amt.
1863
Gleichstellung der Juden
Die Juden werden den übrigen Kantonsbürgern vollständig gleichgestellt und wandern in der Folge in die grösseren Städte ab.
1867
Birrwil erhält ein Postbüro
Am 1. Februar 1867 wird auf Initiative der Birrwiler Textilfabrikanten Gebrüder Nussbaum die Poststelle in Birrwil in ein eidg. Postbüro mit Telegraphenstation umgewandelt. Noch bis zur Bundesrevision von 1848 war das Postwesen Sache der Kantone. Die Postfiliale wird bis 2002 bestehen.
→Samuel Härri, «Rudolfs» (1840-1906), der offenbar schon vorher der Inhaber der Birrwiler Poststelle war, wird erster Posthalter des eidg. Postbüros.
USA kauft Alaska
Am 30. März 1867 verkauft das Russische Zarenreich Alaska im sogenannten [wiki]Alaska Purchase[/wiki] an die USA.
1870
Hungersjahr 1870
1870 ist in der Schweiz ein Hungersjahr.
Birrwil: Einwohnerzahl auf dem Höhepunkt
Die Einwohnerzahl Birrwils ist mit 1’005 auf ihrem Höhepunkt. Danach sinkt sie durch die Abwanderung in Städte und Industrieorte, womit auch die Armut verschwindet.
Gegen Ende des Jahrhunderts bürgern sich die ersten Härri in anderen Schweizer Gemeinden ein, beispielsweise ab 1887 in Basel oder ab 1909 in Zürich.
Birrwil: Johannes Härri wird neuer Organist
→Johannes Härri, «s’Orgelischte», tritt die Nachfolge seines Vaters →Gottlieb Härri als Organist in Birrwil an (bis 1911).
1870 – 1871
Deutsch-Französischer Krieg
[wiki]Deutsch-Französischer Krieg[/wiki]: Deutschland besiegt Frankreich, das Elsass geht an Deutschland.
1875
Verkauf des Schlosses Liebegg
Die Familie von Diesbach verkauft das Schloss Liebegg, welches sich seit 1772 in ihrem Besitz befand, an die Familie Hunziker von Aarau.
1876
Einführung der eidgenössischen Zivilstandsregister
Die Kirche wird per Gesetz von der Registerführung (Geburts-, Ehe- und Sterberegister) enthoben, die Registerführung übernehmen die zivilen Beamten der politischen Gemeinden. Die Pfarrbücher müssen per Grossratsbeschluss den Gemeinden übergeben werden, was an einigen Orten zu einem Kulturkampf im Kleinen führt.
1877
Birrwil: Gottlieb Härri-Schaub als Lehrer
→Gottlieb Härri-Schaub beginnt als Lehrer an der Unterschule in Birrwil (bis 1883) und danach an der Oberschule (bis 1922).
Othmarsingen: Eröffnung der Bahnstrecke Zofingen-Wettingen
Am 6. September 1877 wird die Bahnstrecke Zofingen-Wettingen der Nationalbahn mit einem Bahnhof in der Gemeinde Othmarsingen eröffnet, die sich finanziell stark daran beteiligt hatte. Nach dem Konkurs der Nationalbahn 1878 musste die Gemeinde jahrzehntelang Schulden abzahlen.
1878
Birrwil: Bau eines Wasserkraftwerks
In der Region kommen mechanische Webstühle (Spinnerei, Weberei) auf. Im Birrwiler Schwaderhof wird 1878 eine Weberei mitsamt eines kleinen Stausees, dem Häfni-Weiher, einer Druckleitung (Fallhöhe: 130 Meter) und eines Wasserkraftwerks gebaut. Die Energie würde anfänglich durch mechanische Übertragung gewonnen, mithilfe von Transmissionsriemens zwischen dem Turbinenhaus am See und der Fabrik. 1898, mit der dem Bau einer Hochspannungsleitung durchs Seetal, konnte stattdessen elektrischer Strom genutzt werden.
Das Kleinwasserkraftwerks wird später revidiert. Seine Energieproduktion liegt heutzutage im Schnitt zwischen 60 000 und 70 000 kWh pro Jahr und dieser Naturstrom wird vollständig ins Netz eingespeist. Es ist das einzige Druckleitungs-Kraftwerk im Kanton Aargau.
1882 – 1883
Höhepunkt der Auswanderungen aus der Schweiz
Die Auswanderungen aus der Schweiz erreichen im Jahre 1882 und 1883 ihren Höhepunkt. Ziele sind die USA (83%), Argentinien, Kanada und Brasilien. Die Überfahrt nach Amerika dauert dank Dampfschiffen nur noch 8 Tage.
1882
Othmarsingen: Südbahn eröffnet Bahnstrecke
Am 1. Juni 1882 eröffnet die Aargauische Südbahn die Strecke Hendschiken–Othmarsingen–Brugg.
1883
Birrwil: Zwei Härris in Gemeindeämtern
→Johann Härri wird Gemeindeammann von Birrwil (bis 1891). Er ist zudem von 1884 bis 1889 Grossrat in Aarau.
→Samuel Härri wird Gemeindeschreiber (bis 1905).
Ausbruch des Vulkans Krakatau (Indonesien)
Die Explosion des indonesischen Vulkans Rakata auf der Insel [wiki]Krakatau[/wiki] vom 22. August 18883 schleudert Unmengen von Vulkansche in die Atmosphäre. Es entstehen 40 Meter hohe Tsunami-Wellen, rund 36’000 Menschen in der Region sterben. Die Explosionsgeräsche gehören zu den lautesten der Menschheitsgeschichte, die Luftdruckwellen werden weltweit registriert. Es ist nach dem Ausbruch des Tambora die zweitgrösste Vulkaneruption der Neuzeit.
Aufgrund der Partikel in der Atmosphäre, an denen es zu Lichtbrechungen kommt, werden rund um die Welt spektakuläre Sonnenuntergänge beobachtet. Auf der Nordhalbkugel sinkt die Durschnittstemperatur um 0.5 bis 0.8 Grad Celsius. Die Nachricht von der Naturkatastrophe verbreitet sich dank der wenige Jahre zuvor in den Weltmeeren verlegten Tiefseekommunikationskabeln weltweit schnell.
Birrwil erhält Bahnanschluss
Mit der Eröffnung des Teilstück der [wiki]Seetalbahn[/wiki] zwischen Beinwil am See und Lenzburg am 15. Oktober 1883 erhält Birrwil einen Anschluss ans Schweizer Eisenbahnnetz. Der Birrwiler Textilfabrikant Rudolf Nussbaum war Präsident des aargauischen Seetalbahnkomitees.
1884
Birrwil: «Linus auf Homberg» beginnt als Lehrer
→Gottlieb Joh. Jakob Härri, «Ammanns» – genannt «Linus vom/auf Homberg», *12.03.1845 von Birrwil, beginnt 1884 als Lehrer an der Unterschule in Birrwil (bis 1909).
1885
Sechste Schweizer Bundesverfassung
Aufgrund der Armut und des Alkoholproblems wird in der sechsten Bundesverfassung von 1885 der sogenannte Alkoholartikel angefügt, mit der eine Alkoholsteuer erhoben wird.
Die neue Verfassung sorgt auch für eine Aussöhnung zwischen Reformierten und Katholiken, beinhaltet den Ausbau der Volksrechte und bildet bis 1980 die Grundlage des Staates.
1888
Dampfschifffahrt auf dem Hallwilersee
Auf dem Hallwilersee beginnt 1888 die Dampfschifffahrt für den Ausflugsverkehr.
1890
Birrwil: Trinksaal beim Bahnhof
Der Posthalter →Samuel Härri baut beim Postbureau einen Trinksaal an und nördlich einen Anbau und gründet damit das spätere Hotel Bahnhof.
1892
New York: Ellis Island eröffnet als Immigrationsstelle
Weil die zentrale Immigrationstelle Garden Castle in New York aufgrund der steigenden Einwanderung zunehmends überlastet war und die Behörden schärfere Einreisebedingungen beschlossen, wird sie 1892 von [wiki]Ellis Island[/wiki] abgelöst. Bis 1956 wird sie in Betrieb bleiben. Ellis Island führt eine Datenbank ihrer Einwanderer und derjenigen von Garden Castle.
Birrwil: Gründung der Zigarrenfabrik Härri & Eichenberger
Am 15. Oktober 1892 gründet →Adolf Härri zusammen mit Friedrich Eichenberger im Birrwiler Wilihof die Zigarrenfabrik Härri & Eichenberger (Neubau). Die Fabrik wird bis 1970 bestehen.
1897
Birrwil: Härris werden Gesellschafter der Tabakfabrik
→Samuel Härri-Stadler und →Rudolf Härry-Stadler werden 1897 Gesellschafter der Birrwiler Tabakfabrik in der Ländern 74, welche 1857 von Samuel und Gottlieb Stadler gegründet wurde. Das Geschäft wird bis 1945 bestehen.
1902
Birrwil: Dorfverein veröffentlicht Dorfgeschichte
Der 1898 gegründete Verkehrsverein Birrwil veröffentlicht die von Pfarrer Balmer verfassten «Denkwürdigkeiten», einen kleine Dorfgeschichte, die grösstenteils auf den Aufzeichnungen des Birrwiler Bürgers Rudolf Härri-Linder fussen.
1903
Birrwil: Härri-Stickerei an der Seetalstrasse
→Fritz Härri und →Samuel Härri bauen 1903 in Birrwil im Unterfeld (Seetalstrasse 165) eine Stickerei, welche später zur Pension wird.
1905
Birrwil: Der Wilhof wird integriert
Der Wilhof gehörte bisher nur kirchlich zu Birrwil und wird 1905 per Dekret des Grossen Rats vollständig in die Gemeinde integriert.
1910
Birrwil: Rudolf Härri-Stadler als Gemeindeammann
→Rudolf Härri-Stadler wird Gemeindeammann von Birrwil und bleibt bis 1921 im Amt.
Birrwil: Bau der Wasserversorgung
In Birrwil wird 1910 die Wasserversorgung gebaut.